Deutsche Gesellschaft für Care und CaseManagement
 
DGCC e.V.

Fachgruppe Flucht und Migration

Koordination: Edgar Kemp

E-Mail: ekemp[at]gmx.net

Selbstbeschreibung der Fachgruppe

Seit Juli 2022 trifft sich regelmäßig (alle 2 Monate) eine Gruppe von Kollegen*innen aus dem Arbeitsfeld Flucht und Migration online. Zurzeit sind etwa 20 Personen in  dieser Arbeitsgruppe aktiv.
Es gibt kein anderes Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit das umfassender, vielfältiger und herausfordernder ist als die Arbeit mit Migranten. Neuzugewanderten fehlt es oft zunächst an allem. Deswegen sind alle Bereiche des Systems der sozialen und gesundheitlichen Versorgung gefragt und herausgefordert. Neben den materiellen Grundbedürfnissen fehlen Orientierung, Sicherheit und der Zugang zu Bildung, Arbeit und sozialer Teilhabe. Zugänge zu den Hilfesystemen sind eingeschränkt oder die Regelsysteme sind unzureichend auf die Besonderheiten der Nutzer*innen ausgelegt. Sie müssen sich auf Menschen einstellen, für die dieses System meist fremd, schwer verständlich und zugänglich ist. Die Wegweisung und Begleitung durch diesen „Dschungel“ ist die Aufgabe der Akteure die hier ehrenamtlich und professionell tätig sind.
Es ist überraschend, dass zu diesem Arbeitsfeld bisher nur wenig in der DGCC diskutiert und veröffentlicht wurde. Bietet es sich doch besonders an, durch ein Care und Case Management mehr Struktur und Abstimmung in dieses sehr unübersichtliche und durch viele befristete Projekte gekennzeichnete Arbeitsfeld zu bekommen.
Der Bereich der Flüchtlings- und Migrationsberatung liegt traditionell in den Händen der Träger der freien Wohlfahrt. Hier liegen das Fachwissen und die Expertise. In  den bundesweit finanzierten Programmen der „MBE“ (Migrationsberatung für Erwachsene) und den „JMD“ (Jugendmigrationsdiensten) ist das Handlungskonzept des Case Management verankert.
Ausgelöst durch die „Flüchtlingskrise“ 2015/2016, in der viele Kommunen weitgehend überfordert waren und die aktuelle Zuwanderung von über 1 Million Menschen aus der Ukraine, ist Zuwanderung und Integration für die Politik auf allen Ebenen und die Sozialarbeit ein Thema mit hoher Aufmerksamkeit und auf der Suche nach Lösungen. Die Herausforderung in diesem Arbeitsfeld liegt neben einer qualifizierten Beratung und anwaltschaftlichen Begleitung in der Entwicklung einer rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit der beteiligten Behörden (v.a. Sozialamt, Jobcenter, Arbeitsagentur, Jugendamt, Ausländerbehörde), sowie der Abstimmung der verschiedenen Leistungserbringer in den Kommunen. Kurz: es bedarf eines kommunalen Integrationsmanagements.
Das Land NRW hat diese Herausforderung verstanden und implementiert seit 2021 auf Grundlage des Teilhabe- und Integrationsgesetzes ein solches Konzept mit dem
Landesprogramm „Kommunales Integrationsmanagement“ (KIM). Bausteine dieses Programms sind die Anstellung von Case Managerinnen und Koordinator*innen in allen 54 Kommunen und Kreisen in NRW. Grundlagen und Orientierung dieses Programms wurden  zuvor im Projekt „Einwanderung gestalten“ in 12 Modellkommunen NRW ́s entwickelt, das wissenschaftlich vom ISR Frankfurt unter Leitung von Claus Reis begleitet wurde. In der Veröffentlichung „Kommunales Integrationsmanagement“ wurden die Erkenntnisse daraus in einem Handlungskonzept beschrieben.
Allerdings ist der Unterschied zwischen Theorie und Praxis in der Praxis oft größer als in der Theorie. So behandeln wir in der Fachgruppe vor allem Fragen, die sich in der Praxis stellen und versuchen uns dazu an Hand guter Ideen und Beispiele voran zu denken. Dabei hilft vor allem die Expertise der Kollegen*innen Case Manager*innen und Koordinatoren*innen aus den Kommunen, die mit den Anforderungen täglich konfrontiert sind. Die Kollegen*innen mit Leitungsfunktion, aus dem Ministerium, der Weiterbildung, Organisationsberatung, Supervision und der Wissenschaft bringen ihre Perspektiven und ihren Support mit ein. Diese Vielfalt der Akteure und Ebenen macht den Austausch besonders wertvoll.
Für die nächste Zeit sind die Vorbereitung und Durchführung einer Arbeitsgruppe Flucht und Migration bei der Fachtagung der DGCC im Juni 2023 zum Thema „Case Management im ländlichen Raum“ und eine Fachtagung der DGCC zu dem Thema „Care und Case Management im Arbeitsfeld Flucht und Migration“ vorgesehen.

„Gelingensbedingungen“ eines Care und Case Management im Arbeitsfeld Flucht und Migration:

Worüber reden wir? Das Arbeitsgebiet „Flucht und Migration“ ist ein „weites Feld“.

Von den Nutzer*innen, den Bedarfen, den beteiligten Akteuren und ihren Möglichkeiten, den örtlichen Kontexten, den (leistungs-) rechtlichen Vorgaben, den Einflüssen von Politik und Zivilgesellschaft, etc. gesehen, ist es so vielfältig, dass es allgemein schwer definierbar und verstehbar erscheint. So erlebe ich in den Seminaren, dass die Teilnehmer*innen aus ganz verschiedenen Welten kommen. Stadt-Land, Behörden-Freie Träger, besondere Zielgruppen, offene Beratungsangebote, enge/keine Kooperation mit Ausländerbehörden, Neu-Eingewanderte/ „Langzeitexkludierte“, Personen mit ungesichertem/gesichertem Aufenthaltsstatus,  (un)entwickelte/(un)abgestimmte Netzwerke, Profis und Ehrenamt.
Zunächst ist also immer wieder zu klären, über wen und was wir in diesem Arbeitsfeld sprechen.

Was sind nun die Faktoren und Bedingungen, damit Case Management gelingen kann?

Dazu habe ich zunächst einige Fragen:

Zunächst wäre zu klären, ob überhaupt und wenn ja, wo und wie ein Case Management in diesem Arbeitsfeld stattfindet. Auch wenn es konzeptionell vorgegebenen wird, heißt es ja noch nicht, dass ein CM (nach den Standards der DGCC) praktiziert wird. Ich habe den Eindruck, wir sind da noch sehr in den Anfängen. Außerdem wäre die Frage zu stellen, welches die Besonderheiten sind, die Case Management in diesem Arbeitsfeld auszeichnen.

Einige Besonderheiten:

  • Die besondere Bedeutung des zivilgesellschaftlichen Engagements durch ehrenamtliche Kräfte, sowie die Unterstützung durch migrantische Selbsthilfe.
  • Der „Dschungel“ an Organisationen und Angeboten und ihr Nebeneinanderher, teilweise Gegeneinander.
  • Die erschwerte Kommunikation durch Übersetzungshilfen und die nicht nur dadurch bestimmten (Miss-) Verständnisse und Erwartungen der Nutzer*innen.
  • Die durch die unterschiedlichen Aufenthaltsstatus und Bleibeperspektiven so verschiedenen Leistungsansprüche und Erwartungen

Was mir zu den Gelingensbedingungen zunächst einfällt:
Viel hängt davon ab, wie gut es gelingt, Zugänge zu den Nutzer*innen zu schaffen, ihre Stärken und Ziele zu verstehen und zu entwickeln, mit ihnen gemeinsam Wege durch den „Dschungel“ zu bahnen und die notwendigen Ressourcen zu erschließen oder zu schaffen. Das persönliche Engagement und die Kompetenz der Fachkräfte, die Zusammenarbeit über Rechtskreise und Sektoren hinweg und die gute Abstimmung zwischen Fall- und Systemebene sind dafür Voraussetzungen.
Hilfreich dafür ist eine mit allen Beteiligten abgestimmte Konzeption vor Ort, die auch berücksichtigt und kontinuierlich weiterentwickelt wird.